NRW sucht den 2. Nationalpark: Hat der Reichswald eine Chance?

Eine Einordnung der Nationalpark-Diskussion rund um den Reichswald.

Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung wurde die Ausweisung eines zweiten Nationalparks in NRW vereinbart. Dies soll in einem ergebnisoffenen Beteiligungsverfahren erfolgen, das Anfang September 2023 durch Umweltminister Oliver Krischer gestartet und Anfang 2024 abgeschlossen sein soll (mehr Informationen). Nationalparke sind durch große, möglichst unzerschnittene Lebensräume definiert, wobei die Frage, was groß ist, natürlich in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich beantwortet wird. Wer Gebiete wie die Serengeti in Ostafrika oder den Yellowstone- Nationalpark in den USA vor Augen hat, wird in NRW nicht fündig werden. Gleichwohl sollen auch Länder wie NRW ihren Beitrag zum Schutz der Biodiversität und Artenvielfalt leisten. Und da es sehr viele Arten gibt bzw. geben könnte, die nur in ursprünglichen Lebensräumen, die durch Prozessschutz charakterisiert sind, leben, macht auch bei uns in NRW ein Nationalpark Sinn.

Südrand des Reichswaldes.

Den gesetzlichen Rahmen für einen Nationalpark bildet das Bundesnaturschutzgesetz. Im Prinzip wird ein Nationalpark wie ein Naturschutzgebiet ausgewiesen und geschützt – er soll nur einen hohen Anteil ungenutzter Bereiche haben, in denen sich die Natur frei und ungestört entwickeln kann. Dies ist bisher nicht der Fall, denn der Reichswald wird ganzüberwiegend forstwirtschaftlich genutzt. Nur zwei Naturwaldzellen werden nicht und das Naturschutzgebiet Geldenberg eingeschränkt genutzt. Gleichwohl können auch solche Gebiete zum Nationalpark werden. Man nennt sie dann Entwicklungs-Nationalparks, um deutlich zu machen, dass sie schrittweise in den gewünschten Zustand überführt werden, in dem unnatürliche Strukturen beseitigt und die Nutzung auf den Kernflächen eingestellt wird. Auch NRW’s erster Nationalpark in der Eifel wurde zum Zeitpunkt der Ausweisung fast flächendeckend genutzt.

Einige fragen sich, wie der Reichswald auf die Liste der möglichen Nationalparkgebiete in NRW gekommen ist. Im Jahr 2022 haben die Umweltverbände BUND und NABU eine Studie zu potentiellen Wildnisgebieten in NRW veröffentlicht. Damals ging es nicht um Nationalparke sondern die Frage, wo das Land NRW auf eignen Flächen die Wildnisziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) erfüllen kann. Zwei Prozent der Landesfläche Deutschlands sollten bis 2020 als große Wildnisgebiete gesichert sein. Das ist nicht viel im internationalen Vergleich. Dennoch wurde dieses Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) deutlich verfehlt. Bis heute sind gerade einmal 0,6 Prozent erreicht. Ein Teil der in dieser Studie genannten Gebieten werden vom Land NRW auch als grundsätzlich Nationalpark-geeignet eingestuft. Dabei spielte auch der Sachverhalt eine Rolle, in welchen dieser Gebiete das Land NRW selbst über große zusammenhängende landeseigene Flächen verfügt.

Naturentwicklungsfläche im Bereich Königsven am Südrand des Reichswaldes.

Schon vor rund 15 Jahren wurden mit dem Projekt Ketelwald erste Initiativen für mehr Naturschutz im Reichswald und den angrenzenden niederländischen Waldgebieten gestartet. Südlich des Reichswaldes wird derzeit ein großes Renaturierungsprojekt durchgeführt. Richtig interessant würde daher der Nationalpark-Vorschlag „Reichswald“, wenn die Niederlande sich dazu entschließen, die angrenzenden Gebiete wie das Naturentwicklungsgebiet „Königsven“, das Naturschutzgebiet „Sint Jansberg“ und eventuell die Mookerheide hinzuzufügen. Neben dem unbestreitbaren naturschutzfachlichen Wert dieser Gebiete hätte ein grenzüberschreitender Nationalpark im Herzen Europas gegenüber allen anderen in NRW diskutieren Gebietsvorschlägen ein Alleinstellungsmerkmal.

Bei den Vor- und Nachteilen eines möglichen Nationalparks „Königsven-Reichswald“ sind eine ganze Reihe von Punkten zu bedenken: Nachdem das Forstamt Kleve vor rund 15 Jahren nach Wesel verlegt wurde, käme mit einem Nationalparkamt wieder eine vergleichbare Einrichtung in die Region Kleve. Die forstwirtschaftliche Nutzung und der damit verbundene Holzeinschlag würde schrittweise reduziert und langfristig weitgehend eingestellt. Der Tourismus und die Erholungsnutzung würde sicherlich deutlich zunehmen. So hat sich die Besucherzahl im Nationalpark Eifel nach dessen Ausweisung stark erhöht (mehr Informationen). Gastronomie, Beherbergungsbetriebe und viele andere Einrichtungen würden davon profitieren. Der von einigen geplante Bau eines Windparks hätte sicherlich keine Chance mehr verwirklicht zu werden – aber dafür gibt im Kreis Kleve noch zahlreiche andere mögliche Gebiete.

Jetzt kommt es darauf an, wer eine entsprechende Bewerbung ausarbeitet, wie sich die Bürgerinnen und Bürger, Interessensverbände, die Kommunen und vor allen Dingen der Kreis Kleve dazu stellt.